Nach den US-Wahlen: Let the healing begin …

Das sagte der gewählte zukünftige amerikanische Präsident Biden am vorletzten Samstag, als einigermaßen feststand und die US-Fernsehsender dies bestätigt hatten, dass er die Wahlen gewinnen würde.

Aber was kann denn ein US-Präsident, der zwar sensationell viele Stimmen, nämlich mehr als 79 Millionen auf sich vereinigt hat, bewirken? Immerhin hat sein Gegner ebenfalls ein enormes Ergebnis, 73 Millionen Stimmen, erzielt und daraus leitet dieser, Trump nämlich, eine starke Legitimation ab, für einen sehr großen Teil der Amerikaner zu sprechen, diese besser zu verstehen und der bessere „Mann“ für diese Leute zu sein.

Das ist eine sog. Herkules-Aufgabe für Joe Biden. Sie erscheint auch kaum erreichbar, wenn man mal vergleicht, wie groß die Zustimmung vor 12 Jahren zu Barack Obama war und wie wenig er das amerikanische Volk einen konnte.

Klar, dass der Ton ein anderer werden wird. Joe Biden gilt als Vermittler. Er pflegte auch schon als Vizepräsident von Obama gute Kontakte zu den Republikanern, d.h. zur gegnerischen Partei, und war der Mann von Obama, der vermitteln musste und das gut gemacht hat, wenn es zwischen Obamas Partei, den Demokraten, und den Republikaner „klemmte“.

Joe Biden wird aber auch auf die Leute zugehen müssen, die Trump gewählt haben. Das ist sicherlich nicht einfach für ihn, weil er eher dem Washingtoner Establishment zugerechnet wird und seine Gegner häufig der ländlichen Bevölkerung in Texas, Florida oder im Mittleren Westen angehören. Das sind, wie man so sagt, bisweilen zwei verschiedene Welten. Da wird es nicht einfach für Joe Biden, die Zustimmung der anderen Leute, derjenigen, die gegen ihn gestimmt haben, zu gewinnen.

Aber vielleicht ist das auch nicht unbedingt das Ziel. Man wird ja nicht in vier Jahren alle Leute bekehren wollen. Wichtiger wird wohl eher sein, dass die unterschiedlichen Meinungen gegenseitig respektiert werden und dass sie mit gesitteten Mitteln, d.h. mit denen des Rechtsstaats und der Demokratie, geltend gemacht werden. Das muss das Ziel von Biden sein. Das muss sich ändern und das ist die Abkehr vom Trump’schen Stil. Wenn Biden Diskussionen in einen menschlichen und gesitteten Rahmen bringen kann und die Leute nicht „mit dem Messer“ oder mit dem Revolver – oder wie es bei den Polizisten in Wisconsin geschah: mit den Schlagstöcken und Polizeistiefeln auf schwarze Mitbürger – aufeinander losgehen, dann ist schon enorm viel erreicht. Die Leute sollten Respekt für ihre Andersartigkeit und für ihre jeweils anderen Meinungen, Lebensauffassungen, Lebensstile und religiösen Überzeugungen haben, diese akzeptieren und sich gegenseitig als Mitbürger respektieren. Denn jeder für sich und die unterschiedlichen Lager wollen ja immerhin (jedenfalls ganz viele davon) im großen Ergebnis dasselbe, sie wollen die Welt auf ihre Weise besser machen. Was das heißt, darüber kann man natürlich anderer Ansicht sein.

Wir glauben ja, dass dazu die Verbesserung des Klimas, das Eintreten für Minderheitenrechte, für Gleichstellung von Frauen, Schwarzen, Indianern, Mohammedanern, Schwulen, Lesben etc. gehört. Das denkt auch Joe Biden. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn es ihm gelingt, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen. Dann wird diese Welt eine bessere Welt.

Wollen wir hoffen, dass Joe Biden in seinem hohen Alter diese Kraft hat. Erfahrung hat er glücklicherweise enorm viel. Und eine tolle Frau, Kamala Harris, an seiner Seite. Also, das könnte doch ein bisschen „Healing“ werden.

(AP Photo/Andrew Harnik, File)