Italien Europameister und ein bisschen Politik

Lieber Matis,

gestern war ein echt spannender Abend und ich konnte erst um 1 Uhr einschlafen. Der Elfmeter-Krimi hatte es ja in sich. Ich wusste aber irgendwie, dass Italien es schafft. Die waren nicht nur die besseren Spieler, die waren auch beherzter bei der Sache und einfach cool – in diesem Hexenkessel in Wembley. Diese Buh-schreienden Fans hätten aus meiner Sicht eine gelbe Karte verdient gehabt, zulasten von England. Ein geniales Spiel, das die Italiener ab der zweiten Halbzeit klar beherrscht haben. Dann zahlt sich eben auch Ausdauer aus.

Gestern Nachmittag habe ich ein bisschen Kram gemacht (Steuern, Rechnungen bezahlen usw.).

Dann habe ich auch die Zeitung mal etwas intensiver gelesen. Ich hatte Die Zeit. Die ist ja eher dem links-liberalen Spektrum der politischen Landschaft zuzuordnen. Früher wurde die Zeit von Helmut Schmidt, Ex-Bundeskanzler und SPD, und Hildegard Hamm-Brücher, Grande Dame der FDP, herausgegeben.

Die Zeit hatte fünf Interviews im Politik-Teil. Sie haben alle Spitzen- und Kanzler-Kandidaten der Parteien interviewt, wie sie zur Klimapolitik stehen. Die Grünen zuerst. Annalena Baerbock machte schon einen ganz beherzten Eindruck in ihren Antworten. Ich habe mich natürlich gefragt, was eigentlich die Parteien in punkto Klima unterscheidet. Bei der AfD war das einfach; die leugnen einfach, dass der Klimawandel menschengemacht ist und von Menschen geändert werden kann / sollte. Die meinen, dass die ganzen Maßnahmen nur die Wirtschaft kaputt machen.

Die Grünen kommen, wie gesagt, mit den meisten konkreten Maßnahmen daher. Naja, da müssen wir uns an Tempolimits gewöhnen. Finde ich persönlich nicht so schlimm. Flugreisen werden wahrscheinlich politisch bepreist werden, weil das Kerosin eben echt schädlich ist für die Umwelt. Naja, die Grünen müssen natürlich auch irgendwie mit den fundamentalen Politikern in ihren Reihen klarkommen. Die wollen am liebsten die Ökologie bewahren, ohne irgendwelche Eingriffe, also auch ohne neue Bahntrassen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, ohne neue Windräder, weil die ja die Vögel gefährden, etc. Politik ist eben kein einfaches Geschäft und schwarz-weiß schonmal gar nicht. Man kann auch nicht einfach mal den Benzinpreis um 1-2 EUR erhöhen, um die Leute zum Fahrradfahren zu zwingen, weil dann ganz viele nur noch ganz teuer zur Arbeit kommen, weil deren Arbeitsstelle nicht mit dem Fahrrad erreichbar ist.

Was ist mit der CDU? Die versuchen den Spagat zwischen Erhaltung der Wirtschaft und Klimaschutz. Das ist echt schwer. Man muss ja für den Klimaschutz, also Reduktion der CO2-Emissionen und Neutralität bis zum Jahr 2035 ganz schön in die bestehenden Gefüge eingreifen. Z.B. durch Wandel zur Elektromobilität, Abbau der Atomkraft, Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien. Das ist für eine wirtschaftsnahe Partei wie die CDU nicht einfach. Deshalb versuchen die auch vieles im Unklaren zu lassen. Natürlich will man neue Infrastruktur. Neue Netze für Stromversorgung. Aber ein Tempolimit ist bei der CDU unpopulär.

Die Reduktion der CO2-Emission hat ja auch die CDU akzeptiert und im Bundestag mitbeschlossen. Aber wie man das jetzt umsetzt? Das Rezept lautet ja, dass man die CO2-Emission bepreist. Jedes Unternehmen, das CO2 emittieren will, z.B. die Raffinerien von Shell in Godorf oder die Bayer-Werke, soll Zertifikate kaufen und darüber für jede Tonne CO2, die es in die Luft pustet, Geld bezahlen. 60 Euro sind zur Zeit meines Wissens der Preis. Die Zertifikate verkauft übrigens der Bund. Und wenn Du hier liest, dass Shell für seine Raffinerien die 60 Euro zahlen soll, dann kannst Du Dir denken, wie sich das an der Tankstelle auswirkt – genau, dort wird der Sprit entsprechend teurer.

Und wer bezahlt es am Ende, genau, die Leute, die tanken. Also, muss man das Ganze irgendwie sozialverträglich abfedern. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Die Grünen wollen den Bürgern das über Steuerbegünstigungen zurückgeben, wenn sie Elektroautos fahren etc. Die CDU wird das Geld wohl eher in Infrastruktur einsetzen – Ladestationen für E-Autos und Bahntrassen.

Die SPD? Naja, ich habe ein bisschen Schwierigkeiten, den Unterschied zur CDU zu erkennen. Vielleicht ein kleines bisschen sozialer. Aber da muss man schon suchen.

Was sind eigentlich die aktuell wichtigsten Fragen? Kannst Du Dich noch an meinen Artikel hier auf wasserkaempfer.de zu Greta Thunberg erinnern?

Hier ist er: Für junge Politik-Begeisterte: Wer steckt eigentlich hinter Greta Thunberg? – www.wasserkaempfer.de (November 2019)

Aber was ist mit den anderen Themen neben dem Klima? Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit (es gibt auch in Deutschland immer mehr Menschen, die in Armut leben), zukunftsfähige Industrien, Familienpolitik, Wohnungspolitik? Ich werde mal in den nächsten Wochen, vielleicht im Urlaub, schauen, was die Parteien dazu zu sagen haben. Ich finde das interessant, wie sie die Zukunft gestalten wollen. Vor alle finde ich: Das ist wirklich wichtig.

Denk mal darüber nach. Liebe Grüße schickt Dir Dein Papa