Gedanken nach der letzten Woche …

Lieber Matis,

also erst einmal das Wichtigste:

Ab Ende August im Kino. LG von Papa!!!!

Und dann der eher besinnliche Teil:

Am Donnerstag musste ich sehr viel an Dich denken (tue ich eigentlich immer, aber da ganz besonders). Das hatte nicht einmal so sehr mit dem Vatertag zu tun, sondern mit der Firmung in Sankt Peter. 

Ich musste an Deine Kommunion vor gut 9 Jahren denken (da waren noch der Opi und auch Onkel Eberhard dabei). Damals warst du sehr eifrig bei der Sache. Ich habe mich am Donnerstag während der Firmmesse gefragt, ob wohl ein bisschen Religion auch heute noch bei Dir eine Rolle spielt. 

Mir ist das ja recht wichtig. Ich ziehe auch eine gewisse Zuversicht daraus. Auch was unser beider Verhältnis angeht. Ich habe mich gefragt, ob Du das wohl in Erinnerung hast und ob Dir das etwas bedeutet.

Ich weiß, dass Deine Mutter sich von der Kirche völlig abgewandt hat. Sie will vor allem mit einer Institution nichts zu tun haben, in der es solche Missbräuche gab und die sich anscheinend überhaupt nicht den Themen Homosexualität, Wiederverheiratete Geschiedene, Frauen in Priesterämtern etc öffnen will. Ich kann sehr gut verstehen, dass einen diese Sturheit und Verbohrtheit der obersten Leitung, Papst (den ich andererseits für vieles auch sehr schätze) und Kurie in Rom, abschreckt.

Ich meine aber, dass Glaube ja nicht unbedingt bedeutet, dass ich die Gefangenheit der Kirchenleitung in ihren überkommenen Vorstellungen billigen muss. Und wenn Du mal verfolgst, wo viele Bischöfe in Deutschland (allen voran der Bischof Bätzing von Aachen) stehen, wie sie auf das Coming Out der 100 Kirchenmitarbeiter im Februar überaus positiv reagiert haben, dann gibt das ja durchaus Anlass zu Hoffnung. 

Also, ich habe mich am Donnerstag während des Firmgottesdienstes gefragt, ob ich Dir in der Vergangenheit ein bisschen helfen konnte, ob ich Dir irgendetwas „mitgegeben“ habe in Sachen Glauben. Naja, Du hast vermutlich in Erinnerung, wie wir gemeinsam jeweils am Heiligabend die Plätze in Junkersdorf in Sankt Pankratius 2 Stunden vor Beginn reserviert haben. Das waren richtig gute „Papa-Matis-Aktionen“. Vielleicht hast du auch in Erinnerung, wie der Papa in den letzten Jahren unseres Zusammenlebens sonntags morgens alleine zur Kirche gefahren ist. Und ich weiß, dass Du in den Bilingo-Schulgottesdiensten in Sankt Agnes immer Messdiener warst und im Religionsunterricht sehr eifrig und interessiert mitgemacht hast. Was sonst?

Ich hatte immer das Gefühl, dass Du dem Thema Religion und Religiösität etwas abgewinnen könntest. Du bist ein sehr ernsthafter Mensch und denkst viel über das Leben und den Sinn des Lebens nach. Ich hatte immer gedacht, dass Du so ein Typ Mensch bist, dem Religion und Glaube wichtig sein könnten oder werden könnten und Dir Halt geben könnten (trotz aller Missstände in einem Teil der Kirche). 

Das waren die Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, als am Donnerstag in Sankt Peter die Firmlinge von dem Litauischen Erzbischof Pater Lionginus (einem Jesuiten) gefirmt wurden.

Ich glaube, es hätte Dir sehr viel gebracht und Dir auch viel bedeutet, wenn Du dabei gewesen wärest. Vielleicht bietet sich für Dich zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit. 

Ich hab Dich sehr lieb! Dein Papa